Anlass für die Briefe war eine Reise nach Norwegen, die Herwarth Walden zusammen mit seinem Freund Kurt Neimann Ende August / Anfang September 1911 unternahm. Else Lasker-Schüler ist zu diesem Zeitpunkt noch mit Herwarth Walden, dem Herausgeber des »Sturm« verheiratet, das Paar hatte sich aber bereits im Jahr zuvor getrennt. Bei dem Café, aus dem Lasker-Schüler häufig berichtet oder auf das sie vorzugsweise Bezug nimmt, handelt es sich um das Café des Westens am Ku'damm (heute Kranzler Eck), das in jener Zeit ein Treffpunkt der Berliner Bohemiens und Künstler war.
Die Bedingungen zu umreißen, unter denen die Briefe entstanden sind, hat hier nur den Zweck, das Ungewöhnliche hervor zu heben: Else Lasker-Schüler verbindet in den Texten nahtlos das Private mit dem Öffentlichen, das Fiktive mit dem Realen. Sie schlägt stellenweise jenen vertrauensvollen Ton gegenüber »Herwarth« an, der auf den Ehemann verweist und präsentiert sich am Ende des Absatzes als »Der Prinz von Theben«, eine Figur ihrer Fantasie.
Sie muss sich um Wortspiele nicht bemühen, sondern sammelt sie nebenbei ein, wenn sie von Kurt Hillers »Gnu Cabaret« »gnug« hat und verwandelt so den Umgang mit der Sprache in ein beschwingtes Spiel. Sie fügt sich der Sprache, hat sich ihr anheim gegeben und erntet damit »Wortgeschmeide« und Neuschöpfungen. Wenn sie bedrückt ist, antwortet sie mit »Gallienhumor«, was als Galgenhumor oder galliger Humor in Berliner Mundart gelesen werden kann (und nimmt damit Arno Schmidts Verschreibweise vorweg). Die Sorge um die adäquate Wortfassung hat bei EL-Sch (in Karl Kraus' Schreibweise) stets Vorrang und der Verzicht auf regelkonforme Formulierungen ermöglicht immer wieder Schlaglichter auf ihre Umgebung. Zudem entwickeln die Briefe gerade darüber einen Charme und einen Humor, dem man sich auch 100 Jahre später nicht entziehen kann.
Wer eine gedruckte Ausgabe bevorzugt, kann die leicht überarbeiteten Briefe unter dem Titel »Mein Herz« beim Suhrkamp Verlag bekommen.