E. T. A. Hoffmann - Das Fräulein von Scuderi

E. T. A. Hoffmann gehört zu den lesenswertesten Schriftstellern der Zeit um 1800. So schafft Hoffmann mit der Erzählung »Das Fräulein von Scuderi« nicht nur eine der ersten Kriminalgeschichten der deutschen Literatur, sondern gibt ihr zudem eine heute noch modern anmutende Wendung: Das Fräulein ermittelt nicht, es wird stattdessen zum Knotenpunkt der Geschichte, an dem die einzelnen Fäden zusammenlaufen. 

Als das »Fräulein von Scuderi« erscheint, existiert das Genre der Kriminalliteratur nicht. Daher fehlt es an Konventionen, mit denen Schreibende den Rahmen der Geschichte abstecken können, der den Lesenden zur Orientierung dient. Hoffmann löst das Problem im Auftakt der Geschichte in drei Schritten: Der erste Satz legt das Fräulein als Hauptperson, Paris als Ort der Handlung und die Ära des Sonnenkönigs als Zeitrahmen fest. Der zweite Absatz verwendet die Beunruhigung, um an die Erfahrungen der Leserschaft anzuknüpfen: Wüstes Hämmern an der Haustür mitten in der Nacht schreckt die Kammerfrau des Fräuleins auf, die sofort von üblen Absichten ausgeht und sich ihnen allein gegenüber sieht. Auf den Einstieg, den Hoffmann zu dem Rätsel ausbaut, das durch die Erzählung selbst gelöst wird, folgt der Kontext. Er beschreibt Verbrechen in der Zeit Ludwigs XIV., die jenen Protagonisten Kopfschmerzen bereiten, die sich dann auch im »Fräulein von Scuderi« mühen, den Fall aufzuklären: Polizist und Sonderermittler. Hoffmann präsentiert mit dieser Eröffnung eine ziemlich geradlinige Lösung des Problems, der Leserschaft mit einem Kriminalfall ein Thema vorzulegen, das bis dahin in der Literatur kaum Beachtung gefunden hatte. 

Portrait der Schriftstellerin Madeleine de Scudéry data-align=Da liegt die Frage nahe: Warum überhaupt einen Kriminalfall thematisieren? Zu Hoffmanns Zeit löst aus heutiger Sicht die Epoche der Romantik die der Aufklärung ab. Hoffmann gehört zu jenen, die die von der Aufklärung propagierte Rationalität befragen und eine kritische Bewertung versuchen. Die Wahl der Zeit um 1700 und die von Frankreich als Schauplatz der Erzählung verlegen das »Fräulein« in die Zeit eines anderen Umbruchs - den der beginnenden Aufklärung. Und zu jener Zeit ist eben nicht nur der Verbrecher irrational, sondern auch die Ermittlungsmethoden der Chambre Ardente tragen wenig zur Aufklärung bei. So gesehen schaffte sich Hoffmann mit dem »Fräulein« ein Experimentierfeld, das ihm gestattet das Verhältnis von Vernunft und Irrationalität zu erkunden. Wie gesagt: Einer der lesenswertesten Autoren seiner Zeit. 

Im heute allgegenwärtigen Krimi-Genre haben sich eine ganze Reihe von Klischees etabliert, von denen einige sich bereits im »Fräulein« finden lassen. Dazu gehört der Perspektivenwechsel, der den Fall in einem anderen Licht erscheinen lässt oder die »Beichte des Täters« - hier: um dessen Motivation verständlich zu machen. 


Die Prozesse hinter dem Erstellen des elektronischen Textes haben sich geändert. Das wird unmittelbar im Repository sichtbar, wo der Text nicht mehr in seiner Form als EPUB hinterlegt ist, sondern in einem Format namens reStructuredText (rest, rst). Mit der Software-Suite Sphinx lassen sich rst-Dateien automatisiert in verschiedene Formate überführen - hier vor allem: EPUB und HTML aber auch PDF und andere. Das dürfte die Fertigung von elektronischen Texten zumindest etwas beschleunigen. 

Die hier angebotene PDF-Datei folgt der Druck-Anmutung mit Serifenschrift und Seitengröße und sollte vor allem auf einem Tablet gut lesbar sein. 

Wie üblich ging es darum ein möglichst gesichertes Abbild des Erstdrucks in elektronischer Form zu schaffen. Dazu wurde aus dem Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München mittels OCR eine Textfassung erstellt, die dann mit der Fassung des Deutschen Textarchivs weitgehend automatisiert abgeglichen wurde. 

Zu bemerken bleibt, dass der hier vorliegende Erstdruck von 1819 im »Taschenbuch für das Jahr 1820« nicht mit der Fassung im ein Jahr später erschienenen dritten Band der »Serapionsbrüder«, der Erstauflage, identisch ist. Die Abweichungen legen nahe, dass Hoffmann die Geschichte vor der Veröffentlichung im Erzählungsband noch Korrektur gelesen hat.

 

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