Heine war nicht nur Zeit seines Lebens in Deutschland umstritten.[1] Gründe für sein Dasein als Außenseiter wurden und werden viele genannt: Man warf ihm seine jüdische Herkunft vor, stieß sich an seiner Streitbarkeit, sah in ihm einen Sozialisten, kreidete ihm an, sich in Paris niedergelassen zu haben - beim Erbfeind (so hieß das lange Zeit), und zensierte seine Texte, weil sie zu frivol waren oder gar die Obrigkeit verspotteten - ein Sakrileg im preußisch geprägten Untertanenstaat.
Mit Blick auf die Texte ergeben sich noch andere Facetten die auf eine reflexhafte Abneigung weisen. Denn Heine erlaubte sich das Unverzeihliche: Er beschwor nicht nur bleibende Bilder, wie etwa die Loreley, die auf dem Berg sitzend ihr Haar kämmt und die Schiffer auf dem Rhein in ihren Bann zieht, die daraufhin kentern, weil sie nicht mehr auf die Route achten.[2] Er jubilierte, wenn's Liebchen ihm schöne Augen machte, verzweifelte, wenn sie sich abwandte, er erging sich in Träumen und erzählte Schauergeschichten. Aber den bleichen, hohlwangigen Ritter, der sich Nachts die Zusammenkunft und die Hochzeit mit seiner geliebten Nixe erträumt, ließ Heine in den letzten Versen eben auch im »dustern Poetenstübchen« erwachen.[3] Und die unbedarften Leser, die sich gerne dem Gefühl ergeben oder am Erhabenen berauscht hätten, sehen plötzlich den Traum als Schaum.
Der ironische Bruch wird traditionellerweise als Heines Abkehr von romantischer Schwärmerei angesehen. Aber er markiert auch ein generelles Dilemma: Leser lassen sich gerne davon tragen, wollen mitfühlen, mitfiebern, mitzweifeln; das ist ein Reiz der Fiktion. Unvermittelt daran erinnert zu werden, einer Inszenierung aufzusitzen und, bitteschön, den Verstand einzusetzen, nehmen viele Leser seltsamerweise übel, obwohl der Spaß da erst beginnt.
Das »Buch der Lieder« erschien 1827 und fasste Heines bis dahin veröffentlichten Gedichte zusammen. Das hier zur Verfügung gestellte E-Book geht auf die Erstauflage zurück, wie sie im Deutschen Textarchiv (http://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827) vorliegt. Als Basis für die Umformung ins epub-Format diente die XML-Fassung. Das DTA stellt den Text unter der Creative Commons Lizenz bereit (CC BY-NC 3.0 / http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/de/) und dem folgt auch die epub-Fassung.
[1] Das setzte sich noch 130 Jahre nach seinem Tod fort. Erst 1989 nach einem 20 Jahre währenden Streit erhielt die Universität in Düsseldorf den Namen Heines. [zurück]
[2] »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten«[zurück]
[3] »Es war mal ein Ritter, trübselig und stumm«[zurück]