Kompromisse strebte Albert Ehrenstein wohl selten an. Er zog eher vehemente Entschiedenheit vor, so legen es die Verse des 1916 erschienenen Gedichtbands »Der Mensch schreit« nahe.
Die Position des Autors erscheint in diesen Gedichten als wenig erstrebenswert, denn der sieht sich als fremd in seiner Umgebung, als nicht dazu gehörig. Die Frauen, deren Zuneigung er sucht, schauen an ihm vorbei und ziehen die »Zwirbelbärte« vor. Der so beklagte Abstand zwischen dem Autor und dem abgewandten Publikum findet sich schon in »Wanderers Lied«, dem ersten veröffentlichten Gedicht Ehrensteins, das Karl Kraus 1910 in der »Fackel« abdruckte:
Im Kote liege ich;
hoch über mir, in Karossen befahren
meine Feinde den Mondregenbogen,,,
Häufig genug bietet die soziale Distanz zwischen dem unverstandenen Künstler und der desinteressierten Leserschaft Anlass für Larmoyanz. Doch Ehrenstein scheint sich mit den Mitteln der Selbstverachtung jede Wehleidigkeit zu untersagen. Seine Selbstdiagnose - das Leben sei süß, das Schreiben mache es bitter - gerät ihm trotzdem zu einem Scherz wenn er in »Seufzer« sein Herz als »zerknittert« beschreibt.
Während ein Großteil seiner Generation begeistert in den Ersten Weltkrieg zog, blieb Ehrenstein erfreulich unpatriotisch. Da ihn das Militär als untauglich einstufte, wurde er als promovierter Historiker zur Arbeit im österreichischen Kriegsarchiv verpflichtet, aber wegen »Unernst« bald wieder entlassen. Die Gedichte zeigen, woran sich Ehrensteins Zeitgenossen gestoßen haben mögen, wenn er die »westlichen Wilden auf ihrem Kriegspfad« sieht (»Menschendämmerung«), oder von »blökenden« Kanonen auf dem »Mordfeld« schreibt (»Der Waldesalte«), wo andere Autoren die Kanonen auf dem Schlachtfeld donnern lassen.
Liechtenstein und van Hoddis tummeln sich in der Sprache, als sei sie ein Abenteuerspielplatz, Ehrenstein arbeitet dagegen eher mit wuchtigen Fomulierungen und weckt Assoziationen an körperliche Arbeit, wie sie etwa in Arno Schmidts Selbstcharakterisierung »Wortmetz« stecken. Aber Ehrenstein vermittelt seine Beobachtungen auch beiläufig und elegant, wenn er in »Autofahrt« die Erfahrung der Geschwindigkeit zusammenfasst:
Staub fraß die Zeit,
wir sind schneller,
Albert Ehrenstein gehörte zur tragischen Generation der Expressionisten: Die um 1890 Geborenen wurden im Ersten Weltkrieg geschlachtet, die Überlebenden später von den Nazis verfolgt und ins Exil getrieben und nach dem Zweiten Weltkrieg vergessen. Ehrenstein starb 1950 im Armenhospiz in New York.