Berlin: Botanischer Garten
2024-12-25 – Patrick Goltzsch
Veröffentlicht im Jahr 1929 könnte »Spazieren in Berlin« als nette historische Randnotiz gelten, die die Sicht heutiger Flaneure auf die Stadt ausschmücken kann. Doch das Buch verdankt sich nicht der Absicht einen Reiseführer für Spaziergänger vorzulegen. Stattdessen streicht hier die Neugier durch die Straßen, die geweckt wird vom Erstaunen sich nicht mehr in einem preußischen Provinzkaff sondern in einer europäischen Metropole zu bewegen. Durch seine manchmal fast beiläufigen Beobachtungen erhellt das Buch im Vorbeigehen den Wandel der Stadt.
E. T. A. Hoffmann gehört zu den lesenswertesten Schriftstellern der Zeit um 1800. So schafft Hoffmann mit der Erzählung »Das Fräulein von Scuderi« nicht nur eine der ersten Kriminalgeschichten der deutschen Literatur, sondern gibt ihr zudem eine heute noch modern anmutende Wendung: Das Fräulein ermittelt nicht, es wird stattdessen zum Knotenpunkt der Geschichte, an dem die einzelnen Fäden zusammenlaufen.
Der Fiktion einer Geschichte mit Anfang und Ende entzieht sich »...liner Roma...« schon im Titel. Es könnte sich um »Berliner Romane« handeln, das legt zumindest eine Vermutung der Hauptfigur nahe. Wobei Roman vielleicht ein etwas großes Wort ist für die hier präsentierten biographisch gefärbten Vignetten aus dem Leben eines Bohemiens im Berlin der 20er Jahre.
Das Zitat von ChatGPT führt in die Irre: »Das Gedicht ›Weltende‹ von Jakob van Hoddis wird oft als bedeutendes Werk des Expressionismus betrachtet, weil es die Ängste, Zweifel und das Gefühl der Verzweiflung ausdrückt, die viele Menschen in der unruhigen Zeit nach dem Ersten Weltkrieg empfanden.« Zwar erschien die hier vorliegende Sammlung 1918, aber das namensgebende Gedicht hatte van Hoddis bereits 1911 veröffentlicht. Doch die sachlichen Fehler des Chatbots sind deutlich weniger interessant als seine Phrasen.
Mit »Die Dämmerung« erschien 1913 die einzige Sammlung von Gedichten von Alfred Lichtenstein zu seinen Lebzeiten. 1914 gehörte er zu den ersten Opfern des Weltkriegs. Alle hier vorgestellten Gedichte finden sich auch in der 1919 von Kurt Lubasch besorgten und hier bereits erschienenen Ausgabe der »Gedichte und Geschichten«. Wozu also noch eine gesonderte Veröffentlichung von »Die Dämmerung«? Weil es geht!
»Ich bin mir selbst überlegen«, heißt es in den Notizen von Alfred Lichtenstein. Der Eintrag fasst eine der Zumutungen, denen sich Leser durch die Formulierungen des Autors aussetzen, in aller Kürze zusammen. Während die Logik mit diesem Satz hadert, weckt er die Vermutung, Lichtenstein stelle hier womöglich einen Unterschied her zwischen dem Ich und der Wahrnehmung seiner selbst.
The Northman, USA, 2022, Robert Eggers, 137 Min.
Heines »Neue Gedichte« sind über 175 Jahre alt. Viele der im Lauf der Zeit entstandenen Ausgaben des Buches haben auch den Weg ins Netz gefunden. Allerdings ist den Texten der Wandel in die elektronische Form in den seltensten Fällen bekommen. Denn man bedient sich zwar aktueller Technik, um die Texte zu digitalisieren, aber die dabei entstehenden Fehler werden korrigiert wie vor 175 Jahren: durch Korrektur lesen. Das geht besser.