Friedrich Hölderlin gehörte zu den unglücklichen Künstlern, deren Lebenslauf den Gemeinplatz eines Zusammenhangs von Genie und Wahnsinn nährt. Ein Zusammenhang der vor allem durch das seltsame Vorgehen entsteht, aus der Biographie, die ja nichts weiter ist als eine Interpretation des Lebenslaufs, Hinweise zur Deutung des Werks zu gewinnen. (Wie viele Katzen beißen sich da eigentlich in den Schwanz?) Bei Hölderlin bestimmte die Leidensgeschichte über lange Zeit vor allem die Wahrnehmung seiner Schriften, die als Erzeugnisse eines wirren Geistes abgetan wurden. Allein dieser Umstand sollte Anlass genug sein, den ganzen Ansatz, die Lebensgeschichte zur Interpretation zu missbrauchen, zu entsorgen. Schließlich geht es beim Lesen nicht darum, welche Bedeutung der Künstler seinen Worten beimisst, sondern um die Bedeutung, die die Leser einem Text verleihen. Von daher muss die Lektüre zeigen, inwieweit Hölderlins häufig schwärmerischer, hochfliegender Ton heute noch verträglich ist.