Unaufhaltsam schrumpft der Himmel, Wolken
Kommen breit aus allen Horizonten,
Fahle fremde Schattenkörper kalken
Ihre Decke über den entsonnten.
Ein Wetterbericht, der in solchen Worten zunehmende Bewölkung beschriebe, stieße auf Unverständnis. Aber das Alltägliche in gesuchte Worte zu kleiden und es in Versen zu rhythmisieren soll es dem Altbekannten entziehen. Denn die drei Strophen unter der Überschrift »Natur« knüpfen an die Beobachtung des aufziehenden Unwetters das Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins an die Launen der Natur. Am Ende treibt das Wetter den Beobachter zurück in die Stadt, die zwar keine Horizonte hat, aber dafür verständlich wirkt.
Und die Erde, trübe abgeschnitten,
Hat ein hoher Stern zu sein geendet
. . Meine Augen, die es machtlos litten,
Stehn von Zorn und Gräue abgeblendet.
Wetter, werdend ohne meine Hände,
Wie ein Schicksal ungewollt und wehe,
Treibt mich nun zur Stadt und in die Wände,
Deren stete Enge ich verstehe.
Alfred Wolfenstein, geboren 1883 in Halle, blieb vom Schlachten im Ersten Weltkrieg verschont, weil er untauglich war fürs Militär. Ab 1912 schrieb er regelmäßig für »Die Aktion« und 1914 erschien der hier vorliegende Gedichtband »Die gottlosen Jahre«. In den 20er Jahren betätigte Wolfenstein sich neben seinen schriftstellerischen Arbeiten als Übersetzer aus dem Französischen und dem Englischen. 1933 floh er aus Deutschland erst nach Prag und dann weiter nach Paris. 1940 verhafteten ihn die Nazis und warfen ihn vorübergehend ins Gefängnis. Im Januar 1945 nahm sich Wolfenstein in einem Pariser Krankenhaus, das er wegen seines Herzleidens aufgesucht hatte, das Leben.
Die Texte sind mit den Scans der Erstauflage von 1914 (https://archive.org/details/3322503) abgeglichen, die das Internet Archive zur Verfügung stellt.