Darf sich ein Schriftsteller Hoffnung machen, mehr zu sein als eine Lachnummer für das Publikum? Mit der frei erfundenen, mitleidlosen biographischen Skizze des Lebens von Homer schaufelt Ehrenstein dieser Hoffnung umstandslos ein Grab. Der Autor von Ilias und Odysssee dient als Archetyp eines europäischen Dichters und als solcher hat er keinen Erfolg bei den Frauen, wird von seinem Verleger betrogen und stürzt sich, nachdem er, mittlerweile ein kahlköpfiger Greis, auch zum Gespött von Kindern wird, von den Klippen ins Meer.
Die Erzählungen in dem schmalen Band »Nicht da nicht dort« erschienen 1916 im Kurt Wolff Verlag, als Ehrenstein selbst vorübergehend für den Verlag als Lektor tätig war. Fünf Jahre nach dem er mit der Erzählung »Tubutsch« bekannt geworden war, kann man so in der Geschichte Homers eine von galligem Humor getragene Bilanz von Erreichtem und Erwartetem ausmachen.
Gemeinhin wird Ehrenstein dem Expressionismus zugerechnet, was vor allem durch den zeitlichen Zusammenhang nahe gelegt sein dürfte. Inhaltlich geht Ehrenstein durchaus andere Wege und präsentiert seine Geschichten als Sage, als Märchen oder auch als Science Fiction. Er spiegelt seine Umgebung darin satirisch und überzeichnet sie gerne auch bis ins Groteske. Damit wirkt er stellenweise näher an Franz Kafka als an den Expressionisten.
Die Erzählungen können befremdlich wirken und erschließen sich womöglich nicht ohne Weiteres. Aber es handelt sich auch um eine erfreuliche Lektüre, weil Ehrenstein immer wieder erhellende Blickwinkel formuliert ("Doch der Schlaf spie ihn rücksichtslos, traumlos wieder ins Leben aus") oder die Berufswahl - Schriftsteller oder Journalist - kritisch, aphoristisch fasst ("Ich habe es eilig, ins Nichts zu hasten.").
Womöglich handelt es bei Ehrensteins Befürchtung, vom Publikum verlacht zu werden, um eine Verwechslung. Dann lacht das Publikum nicht über den Autor, sondern überspielt seine eigene Verunsicherung. An der Verunsicherung nun wiederum trifft den Autor durchaus eine Schuld, denn er könnte ja weniger kompromisslos mit der Sprache umgehen, könnte die Menge an Ideen auf ein leichter fassbares Maß beschränken, und könnte er nicht, anstatt der eigenen Nase zu folgen, besser dem Publikum den Bauch pinseln? Könnte er wirklich? Und wären die Geschichten dann noch lesenswert?