Nur für hartgesottene Ohren: Die drei zierlichen Japanerinnen lieben Pop Group, Sonic Youth, den Lärm und die Rückkopplung. Das zelebrieren sie ganz gewissenhaft auf den beiden EPs, die für den amerikanischen Markt zu einer CD zusammengefasst wurden.
Juana Molina – Un Día
Die fünfte Soloplatte der Argentinierin, die unbekümmert um Vorbilder sachte und beharrlich ihre Klangerkundungen vorantreibt. An der Oberfläche wirkt die Musik zurückhaltend, beim Zuhören fesseln die Klangideen. Berückend.
Bethany & Rufus - 900 Miles
Sie (die Tochter von Peter aus Peter, Paul und Mary) singt, raunt und haucht, er streicht, zupft und hämmert auf dem Cello. Trotz der Beschränkung ziehen die beiden die Stücke nicht nur aus dem Rahmen des Folk, sondern verknüpfen die Musik so mit Jazz, Pop und Elementen aus der Weltmusik als hätte sie schon immer so klingen müssen.
Juana Molina - Rara, Segundo, Tres Cosas, Son
Auf der neuen Platte (Un dia), die Anfang Oktober erscheint, erinnern die Aufnahmen fast an Laurie Anderson oder Meredith Monk. Dabei hat die Argentinierin irgendwo zwischen Stereolab und Cat Power angefangen (s. Rara). Auf dem Weg dazwischen entwickelt und erkundet sie Klänge vorzugsweise die der Stimme. Bei aller Experimentierfreude sind die Aufnahmen so zurückhaltend, dass sie fast schon zur Klangtapete taugen.
Tinariwen - Aman Iman, Amassakoul, The Radio Tisdas Sessions
Die Gruppe gibt es schon seit 25 Jahren, aber die Tuareg-Musiker haben bis 2000 ihre Stücke eher auf Kassetten in den Ländern südlich der Sahara veröffentlicht. Angeblich haben sie nur die traditionellen Instrumente mit den modernen Pendants vertauscht, aber trotzdem lautet die gängige Assoziation "Wüsten-Blues", was zwar einen Eindruck beschreibt, aber der Musik längst nicht gerecht wird. Die ist allein mit dem kehligen Gesang und dem Rhythmus im Passgang wesentlich vielschichtiger.
Kora Jazz Trio - s.t., Part Two
Die drei Musiker leben in Paris und stammen aus Guinea und dem Senegal von wo sie auch die Kora (annähernd: Kürbisharfe) mitgebracht haben, die sie in der klassischen Jazz-Trio-Besetzung neben Klavier und Schlagzeug einsetzen. Normalerweise würde ich Jazz nicht ins Archiv packen, aber hier wird an verschiedenen Stellen die Ausbeutungsrichtung umgekehrt: Nicht Jazzer peppen ihre Stücke exotisch auf, sondern der westafrikanischen Musik wird Jazz beigemengt.
Lhasa de Sela - La Llorona, The Living Road
Im Englischen gibt es die Formulierung »it grows on me« um den Prozess zunehmender Wertschätzung von Musik zu beschreiben. Hier bin ich versucht, nach einer Wendung für das Gegenteil zu forschen. Mit jedem Hören wächst der Verdacht, Edelkitsch vorgesetzt zu bekommen.
Clutchy Hopkins - The Life of Clutchy Hopkins, Walking Backwards
Noch so ein Internet-Phänomen, von dem niemand weiß, wer dahinter steckt. Es geht um HipHop oder vielleicht doch eher um Jazz? Jedenfalls bleiben dem Hörer die lästigen Verbaldurchfälle erspart und die Musik lässt gar keinen Zweifel aufkommen, dass es so viel abwechslungsreicher ist.
Oh No - Dr No's Oxperiment
Die Karl-May-Musik des kalifornischen Hip-Hop-Bastlers besteht in einer virtuellen Reise, die im östlichen Mittelmeer am Radio stattgefunden haben könnte, aber wahrscheinlich dem Internet zu verdanken ist. Er präsentiert Miniaturen aus Samples, die er der libanesischen oder syrischen Pop-Musik abgelauscht hat.
Serious Drinking - The Revolution Starts at Closing Time
Pure Sentimentalität: In der kurzen ihnen beschiedenen Zeitspanne Anfang der 80er überführten die Briten den Pubrock in den Pubpunk. Die stellenweise bierseligen Gesänge werden auch von Ska-Rhythmen getragen und durch den Twang der Surf-Gitarre betont. Ein paar extra Tränen weine ich der Band wegen ihres Namens und des Albumtitels hinterher.